Mit Facebook-Videos wurde Jeldos Stecker bekannt. Sie halfen ihm, seine Meinung anderen Menschen mitzuteilen. Niemals wollte er durch diese Videos bekannt werden oder erhöhte Aufmerksamkeit bekommen. Er wollte nur Akzeptanz erlangen. Jeldos hatte Wut durch intolerante Menschen und wollte dieser Wut Luft machen.
„Ich bin ein Adoptivkind aus Kasachstan“
Jeldos Stecker hatte es von Anfang an nicht leicht. Er wuchs in einem Heim in Kasachstan auf. Es gab schlechtes Essen und anstatt zu spielen, wurde den Kindern beigebracht, ordentlich zu sein. Eine, wenn auch kurze, Zeit die sehr prägend war. Bei Fischgeruch wird ihm noch heute schlecht und der Ordnungszwang beherrscht sein Leben komplett. Mit 3 Jahren wurde Jeldos von Deutschen adoptiert.
Von Kindergarten bis Schulabschluss – immer gab es einen „Grund“ mich zu mobben
In Deutschland angekommen, wuchs er in einem kleinen Dorf Nahe Ravensburg auf. Ein kleines Dorf im Süden, welches scheinbar mit „Ausländern“ Probleme hatte. Bereits im Kindergarten wurde er gemobbt, aufgrund seiner Herkunft. Jeldos hatte keine Freunde, nur den Familienhund Blanca. Das Mobbing zog sich auch durch die ganze Schulzeit wie ein roter Faden. Den Lehrern schien das Wort Feingefühl ein Fremdwort. „Die Lehrer stellten die Aufgabe Bilder von den Eltern als Babys mitzubringen.“ fing Jeldos im Gespräch über seine Schulzeit an zu erzählen. „Das tat schon weh, nichts mitbringen zu können. Da war eine Leere, die ich nicht verstanden habe.“ Das Gespräch mit Jeldos wurde nachdenklich. „Die Lehrer wollten mich auch nicht aufs Gymnasium lassen aufgrund meines Migrationshintergrundes. Ich musste einen IQ Test machen, welchen ich mit Bravour bestand. Ich kämpfte dafür, aufs Gymnasium gehen zu können. Ich sagte mir immer: Ich bin nicht dumm, ich habe was drauf!“
Den Kampf aufs Gymnasium zu gehen gewann Jeldos, der Kampf gegen Mobbing ging jedoch weiter
„Jeder Tag in der Schule war ein Kampf. Es gab jeden Tag Stress.“ Auf die Nachfrage, ob Jeldos deshalb mal die Schule schwänzte, lächelte er. „Ich habe mir oft gewünscht, dass es wie in den Hollywood Filmen läuft. Man versteckt sich einmal hinter der Tür, und dann denkt die Mutter, man ist aus dem Haus weg gegangen. Man kann sich wieder ins Bett reinlegen und gut ist. Meine Adoptivmutter war sehr ordentlich. Sie hat jeden Tag Staubgesaugt, dann hätte sie mich gesehen. Schwänzen war nicht möglich. “ antwortete er.
„Ich bekam von dem Ärger richtig psychische Probleme. Mein Adoptivvater war auch nicht der Einfachste, und sicherlich war ich auch kein einfaches Kind in der Selbstfindungsphase. Es war alles sehr schwierig und ich konnte mich nicht auf die Schule konzentrieren. Meine Leistungen wurden schlechter und ich hatte keine Motivation mehr. Immer stellte ich mir die Frage, ob ich überhaupt akzeptiert werde. Woher soll man denn wissen, wer oder was man ist? Wenn man noch nicht mal seinen Ursprung kennt. Ich habe immer probiert mich anzupassen. Aber gemerkt, dass ich das einfach nicht bin. Ich wollte nicht der Norm entsprechen. Ich wollte irgendwann meine eigene Mode tragen.“
Ich hab dann einfach meinen eigenen Style entwickelt.
Jeldos kam dann auf die Realschule. Er trug Röhrenjeans, welche einen weiteren Mobbinggrund auslösten und nur wenige Zeit später zum großen Trend wurden. Aufgrund seines Stylings gab es viel Ärger. Drohungen, Angriffe mit einem Messer und unzählige Beleidigungen. Die einzige Bezugsperson, die ihm zu Seite stand war seine Oma. Ihr erzählte er bereits mit 13, dass er schwul sei. Und sie nahm das Geheimnis bis ins Grab mit. Sie verstarb 2011, in dem Jahr wo Jeldos sich outete. Und immer, wenn man denkt es ginge nicht schlimmer, steigerte es sich noch etwas. „Ich outete mich mit 15. Nach meinem Outing musste ich umziehen. Es waren alle gegen mich. Das Outing ist echt nicht so gut gelaufen.“ spricht Jeldos und ich spüre im Interview, wie es ihn noch heute bewegt. Jeldos zog in eine Wohngemeinschaft, welche total verdreckt war. Auch sein bester Freund (streng katholisch) wollte nichts mehr von ihm wissen. „Er sagte zu mir: Wenn du eine Schwuchtel bist, möchte ich dich nie wieder in meinem Leben sehen.“
Alles was ich aufgebaut hatte, hatte ich wieder verloren
Zu allem Überfluss ging Jeldos jetzt nur noch zur Hauptschule. Alles wurde ihm zu viel. Jeldos begann sich zu ritzen (selbst zu verletzen) und auch einen Selbstmordversuch versuchte er. Trotzdem bekam er keine Beachtung seitens seiner Familie und Freunde. Doch nicht umsonst ist Jeldos im Sternzeichen Löwe geboren. Es ging wieder aufwärts, denn der Kämpferinstinkt löste sich in ihm aus. „Ich sagte mir: Du hast eine Möglichkeit bekommen nicht in Kasachstan auf zu wachsen, sondern in Deutschland. Ich muss nicht zur Armee, sondern darf Bildung genießen. Ich wusste irgendwo in mir sind Talente. Ich war sportlich und willensstark und lief sogar den Halbmarathon mit.“
Jeldos drückte den Reset-Knopf und begann einen Neustart in Ravensburg
In Ravensburg lernte Jeldos Freundin Jenny kennen. „Sie hatte in Ravensburg etwas zu sagen. Wenn da mir jemand blöd gekommen ist, beschützte sie mich direkt. Willst du auf die Fresse? Respekt war da.“ Und Jeldos wurde mutiger und wollte es allen zeigen. Er trug Make Up und schwarze Highheels zum Einkaufen und schöpfte Selbstbewusstsein dank seiner neuen Freunde.
Fortsetzung folgt …
Fortsetzung: